Bericht von der Kundgebung am 21. Juli 2020 zum Prozessbeginn in Magdeburg
Die Kundgebung beginnt – auch hier wird gefordert: Solidarität mit den Betroffenen – Keine Bühne dem Täter!
Eine Überlebende des Anschlags fordert Solidarität mit den Betroffenen und kritisiert das Narrativ des Einzelfalls antisemitischer Übergriffe: „Wenn ich nach Deutschland schaue, sehe ich ein Land dass die Realität verweigert“
Es wird die gemeinsame Erklärung einiger Nebenkläger*innen verlesen: Es wird darum gebeten den Namen des Täters nicht zu verbreiten. Es wird die lückenlose Aufklärung und das Einstehen gegen Antisemitismus und Rassismus gefordert.
@IgorMatviyets: „Der Prozess ist nur der Anfang der Aufarbeitung des Anschlags […] Wir brauchen aktives Handeln und keine Symbole!“
Auch heute wird der Tonbeitrag der jungen jüd. Gruppe aus Halle gespielt. Kritisiert wird die fehlende Repräsentation bzw. die fehlende Diversität in der Repräsentation jüd. Lebens in der Öffentlichkeit. Es gibt am 18.9. in Halle eine Demo die diese Gruppe organisiert hat.
Die @opferberatung berichtet von der Differenz zwischen dem Empfinden und den traumatischen Belastungen der vom Anschlag Betroffenen und dem schnellen Übergang zur Normalität der Nichtbetroffenen.
İsmet Tekin spricht in einem Tonbeitrag über die fehlende Solidarität und die ausbleibende Kundschaft nach dem Anschlag. Er fühlte sich dahingehend allein gelassen.
In einem Beitrag von Radio Corax ( radiocorax.de/ob-wiegand-neu) sind Ausschnitte aus dem Interview mit Halles OB Wiegand zu hören. Darin widerspricht er İsmet Tekin und verweist auf Formalitäten warum dieser keine Unterstützung erhalten hat. Er als OB gibt sich auch damit zufrieden, dass der Hausbesitzer des Kiez-Döners eine Gedenkstätte an seinem Haus ablehnt. OB: „Man muss auch festhalten, dass der Täter kein Hallenser war, sondern aus dem Umland von Halle, nicht aus der Stadtgesellschaft.“ OB Wiegand betreibt darin eigentlich nur Imagepflege und zeigt sich unwillens und unfähig sich wirklich mit dem Anschlag und seinen Hintergründen zu beschäftigen. Dies zeigt sich auch in seiner jahrelangen Untätigkeit gegen die starke lokale Neonaziszene.
Es folgt eine Redebeitrag von @HalggR: „Antisemitismus beginnt nicht erst da wo geschossen wird“.
Heute wurde der Attentäter in #md unter hohem Polizeiaufgebot in das LG gebracht. In #hal dagegen konnte er einen Fluchtversuch unternehmen, da sich die JVA über die vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen hinwegsetzte und so kein Bewusstsein über die Gefährlichkeit des Täters aufzeigte.
Es folgt eine migrantische Perspektive auf den Anschlag: „Viele Migrant*innen hatten an diesem Tag keine Quelle, um an Informationen über den Anschlag in ihrer eigenen Sprache zu kommen; bei manchen wurden Erinnerung an eigene Kriegserfahrungen getriggert“.
Ein weiterer Redebeitrag des @soli_netz Leipzig:“All das (bspw. AfD im Parlament, Drohmails und rassist. Übergriffe von Polizeibehörden etc.) zeigt dass Rassismus in Dtl. auf allen Ebenen im Staat einen Platz hat. […] Der Staat selbst fördert Rassismus und Faschismus!“
Der Prozess beginnt mit 2 Std. Verzögerung; auf der Kundgebung wird eine Schweigeminute für die Opfer eingelegt. Die Verzögerung ist dabei keine Lappalie, sondern bedeutet eine erhöhte Belastung der Betroffenen/Nebenkläger*innen.
Wir wollen nochmal mit Nachdruck betonen, dass das LG Magdeburg und das OLG Naumburg dadurch die Bedürfnisse der Betroffenen nach einem angemessenen Prozessablauf ignoriert.
@HenrietteQuade berichtet vom U-Ausschuss: vor dem Anschlag war vielen Mitgliedern und Vertreter*innen der Sicherheitsbehörden der antisemit. Anschlag von Pittsburgh nicht einmal ein Begriff. Darüber hinaus nutzt die AfD den Ausschuss als Bühne für ihre law-and-order Politik. Wir können nicht viel von einer staatlichen Aufklärung erwarten, wenn dies die Basis des Untersuchungsausschusses ist.
Mahmad Mohamed von der Lamsa sagt: „Worte allein reichen nicht, wir brauchen Unterstützung! Es benötigt gesellschaftliche (Schutz-)Orte/-Konzepte.“
Einer der ersten Berichte aus dem Gerichtssaal von @mzwebde ignoriert die zentrale Forderung der Nebenkläger*innen und Betroffen: Bereits im Thumbnail sieht man ein Bild des Attentäters; zusätzlich wird er direkt zitiert (und damit seine Ideologie reproduziert).
Wie bereits gestern in #Halle wird den über 200 seit 1990 durch rechte Gewalt getöteten Menschen gedacht.
Die Initiative @19FebruarHanau sendet eine Videobotschaft nach #Magdeburg und ruft zu einer bundesweiten Demonstration + Gedenken am 22.08. nach Hanau auf.
Das Gericht geht ab jetzt eine Stunde in Verhandlungspause.
Esther Dischereit gibt eine erste Einschätzung zum #HalleProzess: Überlebende haben bisher noch keine Möglichkeit gehabt, selbst zu sprechen; Befragung und damit die Selbstdarstellung d. Täters wird andauern. Nicht einmal an die Grundbedürfnisse hatte das Gericht gedacht: so gab es nicht genug Trinkwasser für alle.
Naomi Henkel-Gümbel (eine Überlebende d. Anschlags): „I want to remind us all that this is not an exceptional case, but rather an example of the continuity that has been and is still overshadowing this country.“
Ismet Tekin spricht von den mentalen Folgen des Anschlags, über die Tatsache, dass er allein gelassen und er erst diesen Freitag als Nebenkläger zugelassen wurde, obwohl ihn die Kugeln des Attentäters nur knapp verfehlten.
@rubenmcloop: „Das hier ist nicht irgendein Land, dass hier ist das postnazionalsozialistische Dtl. 2020. Dieses Land muss antifaschistisch sein oder ich weiß nicht warum es nach 1945 noch existieren sollte.“
@AStaroselski: „In Zeiten wo Antisemitismus salonfähig wird, müssen die schweren Geschütze aufgefahren werden. Und wir Jüdinnen und Juden dürfen nicht allein gelassen werden im Kampf gegen Antisemitismus.“
Es folgt ein Statement der Rabbinerin Rebecca Blady und ihrem Jeremy Borovitz. Sie konnte heute das Statement nicht im Prozess vortragen.
Eine Gruppe junger Jüdinnen und Juden singt nach dem Prozesstag auf- und vor der Bühne.
Nun sprechen 3 Anwält*innen der Nebenklage.
Ein Anwalt betont, wie bewundernswert es war, dass die Nebenkläger*innen die Aussagen ausgehalten haben. Er betont zudem die Bedeutung des Umfelds/der Sozialisation des Täters.
„Es reicht nicht zu sagen: Nie Wieder. Man muss es bekämpfen.“
@RPietrzyk betont, dass nicht das Gericht die Deutungshoheit über die politische Einordnung des Täters hat. Sie fordert zudem: „Schafft eine kritische Öffentlichkeit!“
Ein Anwalt der Nebenkläger*innen appelliert: „Lasst die Betroffenen nicht allein.“. „Es muß scheiße sein, Antisemit zu sein.“
Ein (letzter) Redebeitrag folgt von Fritz Burschel. Er sagt, dass der Täter heute dennoch im Fokus stand.
Er verdeutlicht des Weiteren, dass der Täter nicht im luftleeren Raum herumschwirrte.
Die Kundgebung ist beendet und auch wir sind raus für heute. Dank an alle, die heute vor Ort supporteten.