Der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern: Was es bedeutet, gegen jeden Antisemitismus, gegen jeden Rassismus und gegen jeden Antifeminismus zu sein

Als AK 9. Oktober haben wir uns in Reaktion auf den antisemitisch, rassistisch und antifeministisch motivierten Anschlag vom 9.10.2019 gegründet. Im Mai 2021 gab es im Zuge des Konflikts zwischen Israel & Palästinensern bundesweit Demos mit antisemitischen Inhalten. So auch in Halle.
Wir haben ein längeres Statement dazu formuliert. Wir hatten es an das linke Debattenmagazin Transit mit der bitte um Veröffentlichung geschickt. Eine Veröffentlichung wurde aber nach monatelanger interner Diskussion abgelehnt. Hier ist es nachzulesen:

Wie zuletzt 2014, ist es im Konflikt zwischen Israel und arabischen Palästinensern und Organisationen, die sie zu vertreten beanspruchen, nun erneut zur gewaltsame Konfrontation gekommen, die zu Toten auf beiden Seiten geführt hat. Diese Situation hat, wie schon damals, zu einer weltweiten Welle von Kundgebungen und Demonstrationen geführt, die die palästinensische Seite uneingeschränkt unterstützen und das Vorgehen Israels scharf kritisieren. Dabei kam es ebenso wie schon 2014 zu vielen offen antisemitischen Äußerungen und Vorfällen.

Auch in Halle gab es zwei solcher Kundgebungen, eine am 13. Mai auf dem Markt, mit etwa 350 Teilnehmern vorwiegend syrischer Herkunft und eine am 22. Mai mit etwa 150 Teilnehmern aus dem gleichen Zusammenhang, die sich einer Veranstaltung der MLPD angeschlossen hatten. Die Kundgebung am 13. Mai auf dem Markt, die unter dem Titel »Für Religionsfreiheit – gegen israelische Apartheids-Politik« angemeldet war, dauerte etwa eine Stunde und bestand vorwiegend daraus, dass Parolen auf arabisch in Sprechchören gerufen wurden. Zu hören war dort »Wir leben und wir sterben für Palästina«, »Wir werden zu Millionen Märtyrern in Jerusalem«, »Unsere Seelen und unser Blut für Jerusalem«, »Viva, Viva Intifada« und »Allahu akbar«. Auf Schildern wurde »Freiheit für Palästina« und »Freiheit für Jerusalem« gefordert und es wurde Palästina-Fahnen getragen. Eine Frau und ein Vertreter der MLPD hielten kurze Ansprachen auf deutsch, wobei letzterer im Anschluss die Parole »Hoch die internationale Solidarität« anstimmte. Diese wurde auch versucht nachzusprechen, ging dann aber in »Allahu akbar« Chören unter. Bereits 2014 und 2017 gab es in Halle ähnliche Demonstrationen, damals jedoch mit wesentlich weniger Teilnehmern.

Es gab zu dieser Demonstration einen spontanen Gegenprotest, bei dem israelische Fahnen gezeigt und ebenfalls Parolen Gerufen wurden, wie »Lang lebe Israel«, aber auch »Kannibalismus gehört zu unseren Riten, esst mehr Antisemiten«, »Straßenschlacht in Ramallah, die Panzer sind die Antifa« und »Euch holt alle der Mossad«. Auf der propalästinensischen Seite wurde auf die israelischen Fahnen mit Empörung reagiert, worauf ein Organisator versuchte, zur Mäßigung aufzurufen, indem er die Teilnehmern dazu aufforderte, sich ihrer Männlichkeit entsprechend zu verhalten.

Zeitgleich zu diesen Kundgebungen und Demonstrationen ist in sozialen Medien eine massive Verbreitung von Bildern und Darstellungen zu beobachten, die ein einseitiges und verzerrtes Bild zeichnen, in denen Israel als allein schuldige Seite dargestellt und verurteilt wird. Das immense Ausmaß und die starke Vereinfachung dieser medialen Botschaften, die antisemitische Stereotype verwenden, machen die Ausweitung antisemitischer Äußerungen und Angriffe in weiten Bereichen der Gesellschaft wahrscheinlicher. Tatsächlich ist genau das als Auswirkung zu erleben — Jüdinnen und Juden werden in Folge der medialen Darstellungen des Konflikts zwischen Israel und palästinensischen Organisationen vermehrt angegriffen.

In Bezug auf den Konflikt zwischen Israel und Palästina gibt es viele verschiedene Perspektiven, die einander oft antagonistisch gegenüber stehen und kaum miteinander vereinbar zu sein scheinen. Gerade in der Linken, deren geteilter Anspruch in der Abschaffung von Herrschaft besteht, gibt es harte Auseinandersetzungen und Spaltungen, wenn es um die Frage des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern geht. Die Frage wird dann oft darauf verengt, ob die jeweilige Position sich als zionistisch oder antizionistisch versteht. So wird beispielsweise gesagt, es könne keine zionistische Linke geben und es gibt auch Versuche, dafür Begründungen auszuarbeiten.

Was wäre aber eine linke und emanzipatorische Perspektive auf diesen Konflikt, der es um das Leben und die Freiheit aller Menschen geht? Sie müsste von der Situation ausgehen, wie sie jetzt besteht. In Israel und den umstrittenen Gebieten leben etwa 6,8 Millionen jüdische Israelis und etwa 4,9 Millionen arabische Einwohner. Diese Menschen leben jetzt dort und sie umzusiedeln oder zu vertreiben, würde für jede dieser Bevölkerungsgruppen unermessliches Leid mit sich bringen. Eine linke, emanzipatorische Perspektive, der es um die Verminderung und die Abschaffung unnötigen Leidens geht, kann nur von der Anwesenheit dieser Menschen dort ausgehen, wodurch die Frage, ob sie zionistisch oder antizionistisch sein soll, hinfällig wird. Der Zionismus ist eine historische Tatsache, über die nicht so geredet werden kann, als ließe sie sich wieder rückgängig machen.

Insbesondere Beiträge in sozialen Medien, aber auch viele Berichte in journalistisch produzierten Medien, stellen die Situation und das Geschehen vor Ort oft auf eine vereinfachte und vereinseitigende Weise dar. Vielfach beziehen Beiträge Position für eine Seite und versuchen die Position der Gegenseite als vollkommen falsch und ohne jede Berechtigung darzustellen. Diese gegenseitige Nichtanerkennung der Positionen führt zur weiteren Polarisierung und Radikalisierung. Eine Strategie, die da heraus führen soll, besteht darin, die Komplexität und Widersprüchlichkeit dieses Konflikts hervorzuheben. Das ist zwar ein richtiger und wichtiger Schritt, aber er birgt auch die Gefahr, dass Menschen sich angesichts der unüberschaubar erscheinenden Komplexität und Widersprüchlichkeit auf eine Position der Neutralität gegenüber beiden Seiten zurückziehen und diesen dann mehr oder weniger das Feld überlassen, weil sie glauben, sich nicht dazu äußern zu können. Das kann die Polarisierung auch verstärken. Dabei ist diese komplexe und widersprüchliche Konfliktsituation durchaus eine, die sich mit ein wenig Mühe verstehen lässt. Dabei müssen aber die einfachen Muster der medialen Propagandamaschinen verlassen werden. Den Sachen auf den weltlichen Grund zu gehen, der hinter dem oberflächlichen Schein liegt, ist eine genuin linkes Vorgehen, das für diesen wie auch für alle anderen Konflikte angewendet werden sollte.

Ein Trend, der seit einiger Zeit vor allem in sozialen Medien zu beobachten ist, versucht den Konflikt um Israel und Palästina ganz aktiv in den Begriffen postkolonialer und antirassistischer Theorien neu darzustellen, zu erzählen oder zu framen, was auch einigen Erfolg zu haben scheint. Diese Weise, den Konflikt darzustellen, blendet aber vieles aus und wird der tatsächlichen Situation und ihrer historischen Entwicklung überhaupt nicht gerecht. Wenn es darum gehen soll, Leid zu vermindern und die Lebensbedingungen für alle zu verbessern, führt diese Argumentationslinie nicht weiter, sondern ebenfalls zur Vereinseitigung und Polarisierung. Um einige der unpassenden Begriffe und Argumentationen wird es im Folgenden noch gehen.

Der Rahmen, in dem die vorwiegend aus Syrien stammenden Teilnehmern der vorgeblich propalästinensischen Demonstrationen in Halle den Konflikt wahrnehmen, ist aber noch einmal ein anderer. Obwohl die Menschen vor dem Krieg in Syrien geflüchtet sind, der wesentlich von dem herrschendem Regime der Baath-Partei unter Baschar al-Assad gegen die Proteste für Demokratie der syrischen Bevölkerung geführt wurde, sind sie doch von der jahrzehntelangen ideologischen Indoktrinierung dieses Regimes geprägt. Syrien erkennt, wie der Iran, die Hamas und die Hisbollah, bis heute Israel als Staat nicht an. Das syrische Regime der herrschenden Baath-Partei hat, ebenso wie das Baath-Regime im Irak, über Jahrzehnte antizionistische und antisemitische Propaganda betrieben und es betreibt sie noch heute. Beide Baath-Parteien, die miteinander zerstritten waren, folgten und folgen der Vorstellung eines nationalistischen Panarabismus, in der Israel nicht vorgesehen ist. Dementsprechend wird im syrischen Bildungssystem und in Schulbüchern Israel nur als »zionistisches Gebilde« bezeichnet und es werden antisemitische Stereotype gelehrt. So werden Israel und der Zionismus in diesen Schulbüchern als imperialistisch und Ursache aller Probleme im Nahen Osten und Juden als ewige Feinde der Muslime und Araber und der gesamten Menschheit dargestellt. Das bedeutet nicht, dass alle aus diesen Ländern stammenden Menschen grundsätzlich Antisemiten sind, sondern nur, dass von einer Prägung auszugehen ist, die auf unterschiedliche Weise individuell verarbeitet wird und die es zu reflektieren gilt.

In dieser Hinsicht besteht eine gewisse Nähe zu Ostdeutschland, denn auch das SED-Regime verfolgte über die meiste Zeit seiner Existenz eine Politik des Antizionismus, die auf einem marxistisch-leninistischen Antiimperialismus, aber auch auf außenpolitischen Interessen beruhte. Die DDR wurde mit dieser Politik zu einem der wichtigsten Unterstützer der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO und zu einem wichtigen Waffenlieferanten für diese sowie für arabische Staaten. Zwar äußerte sich das nicht in so offen antisemitischer Diktion, wie es beispielsweise in Syrien der Fall war und ist, aber auch hier gab es eine antizionistische Prägung über mehrere Jahrzehnte hinweg. In dieser antiimperialistisch geprägten antizionistischen Rhetorik, die von den Staaten des Ostblocks und von arabischen Staaten vertreten wurde, sind aber schon Elemente vorhanden, die auch heute noch gegen Israel verwendet werden. So wird Israel als Bestandteil des westlichen Imperialismus und als rassistischer Kolonial- und Siedlerstaat dargestellt und mit NS-Deutschland und dem Apartheidregime in Südafrika verglichen. Auch der Vorwurf eines versuchten Genozids an der arabischen Bevölkerung wird erhoben. Die antizionistische Logik sieht demzufolge nicht nur die israelische Politik als Ursache für Unterdrückung, Aggression und Krieg an, sondern die Existenz von Israel als Staat.

Der weit überwiegende Teil der Linken weltweit scheint noch immer oder wieder von neuem Spielarten des antiimperialistischen Antizionismus zu vertreten, die ebenso die Existenz Israels als Staat als Ursache des Problems ansehen. Oft ist bei diesem Thema eine ungeheure emotionale Aufladung zu erkennen, bei der die Position der anderen Seite als moralisch und intellektuell vollkommen inakzeptabel dargestellt und dadurch von der Ebene eines rationalen Diskurses von vornherein ausgeschlossen werden soll. Diese Art der Polarisierung, in der Antisemitismus und Rassismus gegeneinander ausgespielt werden, führt nicht weiter. Sie enthält in ihrer Logik selbst nur den Sieg der einen Seite, die Unterdrückung und Vertreibung für die andere bedeutet. Es ist aber möglich und für eine Linke, der es um Befreiung geht, sollte das selbstverständlich sein, gegen jeden Antisemitismus, wie auch gegen jeden Rassismus und gegen jeden Antifeminismus und für das Leben aller Menschen an allen Orten zu sein. Gerade weil es notwendig ist, Allianzen zu bilden, die sich gegen Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus richten und für eine Welt kämpfen, in der alle ohne Angst verschieden sein können, ist es so wichtig, Antisemitimus und Rassismus und auch Antifeminismus nicht gegeneinander auszuspielen, sondern sie in ihrem Zusammenhang zueinander zu sehen. Diese Aufgabe ist essentiell für eine Linke, der es um die Befreiung von aller Herrschaft geht, und sie ist nicht so schwierig, wie es angesichts der Polarisierung erscheinen mag. Die Zusammenhänge und Konflikte können verstanden werden und es kann und soll darüber diskutiert werden.

Viele von denjenigen, die den antiimperialistischen Antizionismus heute in der globalen Linken vorantreiben, weigern sich, von einem Konflikt zu sprechen, weil dadurch die reale Situation der Besetzung und Kolonialisierung verschleiert werden würde und der Begriff Konflikt in diesem Zusammenhang als Euphemismus fungieren würde, der davon abhielte, diese Situation als solche aufzufassen. Mit dieser begrifflichen Operation soll von vornherein festgeschrieben werden, dass Israel die unterdrückende Kolonialmacht ist und die palästinensische Bevölkerung und die Organisationen, die sie zu vertreten beanspruchen, das revolutionäre Subjekt der Befreiung darstellt. Jede weitere Diskussion darüber, ob diese Sichtweise zutreffend ist oder nicht, soll damit von vornherein als illegitim ausgeschlossen und verhindert werden.

Israel wird in dieser Form des politischen Aktivismus, der auch in akademisch verkleideter Gestalt auftritt, als kolonialer Siedlerstaat dargestellt, der aus der europäisch-imperialistischen Idee des Zionismus hervorgegangen sei. Tatsächlich ist die Idee des Zionismus gerade als eine Form der jüdischen Reaktion auf die europäisch-imperalistische und koloniale Aufteilung Europas und der ganzen Welt in Nationalstaaten und koloniale Imperien zu verstehen. Denn damit einher ging ein zunehmender und sich radikalisierender Antisemitismus. Mit der Frage der Nation kam auch die sogenannte Judenfrage auf. Mit der Herstellung nationaler Identität verbunden war die Unterdrückung und der Ausschluss und die Vertreibung von Minderheiten. Jüdinnen und Juden aber waren in vielen Ländern zu finden und hatten kein Land, das ihnen Schutz bieten konnte, wenn es darauf an kam. Sie wurden daher als Gegenprinzip zur nationalen Identität konstruiert oder mit ihnen als Gegenprinzip wurde nationale Identität konstruiert. So wurden sie einerseits zu einer Bevölkerungsgruppe, die überall von Ausgrenzung, Unterdrückung und Vertreibung bedroht war und andererseits zu einem Sinnbild oder einer Verkörperung alles desjenigen, was den jeweiligen nationalen Identitäten oder Politiken entgegenstand oder als schädlich angesehen und bekämpft werden sollte, zum »absoluten Feind«, zur »Antination« und zur »Antiidentität«.

Als Reaktion auf diesen, sich in der Zeit der Nationenbildung und des europäischen Imperialismus manifestierenden, modernen Antisemitismus verfolgten Jüdinnen und Juden verschiedene Strategien. Eine ist die der Assimilation, eine andere der Kampf für die universale Befreiung aller Menschen und eine dritte der Zionismus. Der Zionismus ist nicht deshalb für viele Jüdinnen und Juden als einzige reale Möglichkeit übrig geblieben, weil er als europäisch-imperialistisches Projekt oder als Projekt eines kolonialen Siedlerstaats so attraktiv gewesen wäre oder so viele Möglichkeiten geboten hätte, was beides nicht zutreffend ist, sondern weil die anderen Strategien für viele Jüdinnen und Juden historisch gescheitert sind und ihnen keinen Schutz bieten konnten. Trotz aller Bemühungen um Assimilation und teilweise jahrhundertelangem Zusammenleben und kulturell weitgehender Ununterscheidbarkeit wurden Jüdinnen und Juden von antisemitischen Bewegungen und antisemitischen Regimen immer wieder als »Juden« markiert und identifiziert und der Diskriminierung, Vertreibung oder Vernichtung ausgesetzt. In Deutschland konnte der eliminatorische Antisemitismus des Nationalsozialismus, der die Ermordung der Jüdinnen und Juden in seinem Machtbereich mit den Mitteln der industriellen Moderne unternahm, nur militärisch beendet werden. Aber auch die Hoffnung auf die Einrichtung einer sozialen Form, in der es nicht mehr darauf ankäme, wer wann wo geboren ist und welche körperlichen oder kulturellen Merkmale jede:r hat, hat sich nicht erfüllt. In den meisten europäischen Ländern, wo der Versuch dazu unternommen wurde, wurde er von der Konterrevolution niedergeschlagen, aus der heraus sich die faschistischen und die nationalsozialistische Bewegung formierten. Dort, wo dieser Versuch tatsächlich realisiert wurde, geschah das in einer fehlgeleiteten Version als autoritäre Parteidiktatur, die als andere Form der Herrschaft selbst wieder Antisemitismus hervorbrachte. Als Konsequenz der historischen Entwicklung blieb für viele Juden nur noch der Zionismus als letzte Möglichkeit ihr Überleben zu sichern. Deutlich zeigt sich das an der Konferenz von Évian, die im Juli 1938 angesichts der nationalsozialistischen Judenverfolgung stattfand. Von den 32 Staaten, die daran beteiligt waren, weigerten sich alle außer der Dominikanischen Republik, mehr jüdische Flüchtlinge aufzunehmen.

Der im Laufe des 19. und des 20. Jahrhunderts zunehmende und sich radikalisierende Antisemitismus hat seine Ursache aber nicht nur im Prozess der Nationenbildung und des europäischen Imperialismus, sondern er ist auch eine Reaktionsbildung auf die immer weiter voranschreitende formelle und reelle Subsumtion des sozialen Lebens unter das Kapital. Auch dabei wird in der antisemitischen Vorstellung in den Juden die Personifizierung aller als destruktiv wahrgenommenen Konsequenzen der Unterordnung unter das Kapital gesehen. Dadurch wird Antisemitismus, wie auch Rassismus und Antifeminismus, zu einer ständigen Begleiterscheinung in kapitalistischen Gesellschaften. Eine Gesellschaftsform, die von ihrer Grundstruktur her die Menschen in einen Konkurrenzkampf gegeneinander setzt, wenn sie nur ihr Leben sichern wollen, stellt die Situation eines permanenten Kampfes um Anerkennung her, in dessen Prinzip es letztlich um Leben und Tod geht. Diese Situation besteht dabei sowohl zwischen den einzelnen Individuen, als auch zwischen den einzelnen Nationalstaaten und sie ist ein wichtiger und in der Gegenwart entscheidender Ausgangspunkt von Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus. Auch hier wird in Jüdinnen und Juden einerseits die Personifizierung der im Modus des alltäglichen Lebensvollzugs schwer fassbaren Mechanismen des gesellschaftlichen Zwangs, von gesellschaftlich produzierter Herrschaft und Gewalt, gesehen und andererseits werden sie zum Ziel von Angriffen, Ausgrenzung, Vertreibung und Gewalt. Da die kapitalistische Gesellschaft aus sich heraus systematisch Antisemitismus produziert, besteht die Notwendigkeit eines sicheren Orts für Jüdinnen und Juden, an dem sie die Möglichkeit haben, sich vor der antisemitischen Verfolgung zu schützen. Dieser sichere Ort für Jüdinnen und Juden ist historisch in Israel entstanden und er wird notwendig existieren müssen, solange der Antisemitismus fortexistiert.

Die Geschichte der Entstehung des Staates Israel ist eine Geschichte, die mit Gewalt und Leid verbunden ist, so wie die der meisten anderen Nationalstaaten auch. Schon das macht es erklärungsbedürftig, dass der damit verbundene Konflikt so viel Aufmerksamkeit erhält, wie kaum ein anderer und dass für nicht wenige der Frieden und die Befreiung der Welt von ihm abzuhängen scheint. Dort wo sich heute Israel, Libanon, Jordanien, Syrien, Irak und Türkei befinden, bestand bis 1918 das Osmanische Reich. Die Türkei wurde 1923 zu einem unabhängigen Staat, während die übrigen Gebiete des ehemaligen Osmanischen Reiches als Mandate des Völkerbund von Großbritannien (Jordanien, Palästina, Irak) und Frankreich (Syrien, Libanon) verwaltet wurden. Der Völkerbund war nach dem Ersten Weltkrieg von den Siegermächten gegründet worden, um die Einhaltung von Friedensverträgen zu überwachen und internationaler Konflikte beizulegen und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den Vereinten Nationen abgelöst. Der Auftrag des 1922 ratifizierten Mandats des Völkerbunds für Palästina bestand darin, die Bedingungen für die »Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina« zu schaffen, »wobei klar verstanden ist, daß nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und die religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung, deren sich die Juden in irgendeinem anderen Lande erfreuen, beeinträchtigen würde«. Dadurch sollte »die Anerkennung der historischen Verknüpftheit (historical connection) des jüdischen Volkes mit Palästina und der Grundlagen für die Wiedererrichtung seiner nationalen Heimstätte in diesem Lande« erfolgen und zugleich »die Entwicklung von Selbstverwaltungsinstitutionen sowie die Wahrung der bürgerlichen und religiösen Rechte aller Einwohner Palästinas, ohne Unterschied der Rasse und Religion« gesichert werden. Im Völkerbund waren zu dieser Zeit keine arabischen Staaten Mitglied, so dass dieses Mandat im wesentlichen von den Siegermächten über das Osmanische Reich getragen wurde. Dennoch macht schon diese Vorgeschichte der israelischen Staatsgründung deutlich, dass hier nicht von einem kolonialen Siedlerstaat gesprochen werden kann.

Wenn jetzt Münzen oder Ausweise mit der Bezeichnung Palästina in sozialen Medien geteilt werden, die die Existenz von Palästina vor der Gründung Israels beweisen sollen, dann sind es Artefakte und Dokumente dieses Mandatsgebietes, in dem sowohl Jüdinnen und Juden als auch Araberinnen und Araber unter britischer Verwaltung lebten und in dem die Bedingungen für eine jüdische Heimstätte hergestellt werden sollten. Israel oder Palästina, ist das Gebiet, aus dem Jüdinnen und Juden stammen und in dem die meiste Zeit auch einige von ihnen gelebt haben. Nun zu behaupten, Araberinnen und Araber seien die indigene Bevölkerung und Jüdinnen und Juden die Kolonisatoren entspricht einfach nicht der historischen Entwicklung. Es ist unstrittig, dass die arabische Eroberung des Gebietes später erfolgte und dennoch lebte auch die arabische Bevölkerung seit vielen Jahrhunderten dort. Beide Bevölkerungsgruppen können daher den Status der Indigenität für sich beanspruchen und Anspruch auf das Gebiet erheben. Es nur für eine dieser Gruppen allein zu beanspruchen, ist nur auf die Delegitimation der anderen Seite gerichtet und konstruiert diese als Gegner oder Feind.

Bereits in der Zeit des Mandats kam es zu Angriffen von arabischer Seite auf Jüdinnen und Juden in Palästina, während die jüdische Einwanderung stetig zunahm, die dem stärker werdenden Antisemitismus in Europa entsprang. Jüdinnen und Juden kamen also nicht als Kolonisatoren, die ein Gebiet erobern und besiedeln und die dort ansässige Bevölkerung unterwerfen wollten, sondern sie kamen als als Geflüchtete und Vertriebene, die auf der Suche waren nach einem sicheren Ort. Ihr Ziel war nicht die Beherrschung der arabischen Bevölkerung und so versuchten sie, weitgehend eigenständige wirtschaftliche Strukturen neben den bestehenden arabischen aufzubauen. Dennoch kam es zu Konflikten und Auseinandersetzungen, in denen sich zwei konkurrierende Nationalbewegungen, eine jüdische und eine arabische gegenüberstanden. Die Form des Nationalstaats war der zionistischen Bewegung, die eine Zuflucht vor antisemitischer Verfolgung suchte, dabei historisch als einzige praktische Möglichkeit vorgegeben, weil es zur allgemein durchgesetzten Form wurde, in denen sie zu Verfolgten wurden. In den 1930er und 1940er Jahren stieg die jüdische Einwanderung nach Palästina stark an, die vor allem aus der stärker werdenden antisemitischen Verfolgung im nationalsozialistischen Deutschland, aber auch aus anderen europäischen Ländern resultierte. Zur gleichen Zeit fand aber auch eine arabische Einwanderung nach Palästina statt. Dadurch verschärfte sich der Konflikt um die Souveränität in dem Gebiet weiter, was sich im arabischen Aufstand gegen die britische Mandatsherrschaft und deren Förderung der jüdischen Einwanderung von 1936 bis 1939 zeigte, für den das nationalsozialistische Deutschland Waffen lieferte. Eine entscheidende Rolle für die Organisation dieses Aufstands und auch schon früherer Angriffe spielte Amin al-Husseini, der von der britischen Mandatsmacht zum Großmufti von Jerusalem und damit zum geistigen und politischen Anführer der palästinensischen Araber gemacht wurde. Seit 1933 war er ein Unterstützer des nationalsozialistischen Deutschlands und baute Kontakte zu diesem auf, aber bereits seit dem Ende des Ersten Weltkriegs war ein ein radikaler Gegner des Zionismus, der antisemitische Verschwörungsideologien mit islamistischer Ideologie und arabischem Nationalismus verband. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg machte die durch das nationalsozialistische Deutschland unternommene Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden die Schaffung eines jüdischen Staates als sicheren Zufluchtsort für Überlebende der Shoah zur dringenden Notwendigkeit. Die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Vereinten Nationen verabschiedeten 1947 einen Teilungsplan für das Mandatsgebiet Palästina, der einen Teil des Gebietes für die jüdische und einen anderen Teil für die arabische Hoheit vorsah.

Die sechs arabischen Mitgliedsstaaten stimmten gegen diesen Teilungsplan. Die zionistische Bewegung akzeptierte den Teilungsplan, die palästinensischen Araber, wie die gesamte arabische Welt, lehnten dagegen den Teilungsplan ab, da sie nicht bereit waren, die Errichtung eines jüdischen Staates auf dem Gebiet des Mandates Palästina zu akzeptieren. Das war der Auslöser für den Beginn des zionistisch-arabischen Bürgerkriegs im Mandatsgebiet Palästina, während dem es auf beiden Seiten zu Übergriffen und der Tötung von Zivilisten kam. Da die britische Mandatsmacht beschlossen hatte, am 14. Mai 1948 aus Palästina abzuziehen, erklärte der Jüdische Nationalrat unter Berufung auf den Teilungsbeschluss der Vereinten Nationen an diesem Tag die Gründung des Staates Israel. Am Morgen des nächsten Tages begannen Einheiten von fünf arabischen Staaten gegen Israel vorzurücken, syrische und libanesische Truppen vom Norden, jordanische und irakische Streitkräfte vom Osten und ägyptisches Militär vom Süden. Ihr Ziel war die Beseitigung des soeben gegründeten jüdischen Staates. Eine wichtige Rolle für die Entscheidung zu diesem Angriffskrieg spielte wiederum Amin al-Husseini zusammen mit der ägyptischen Muslimbruderschaft, die durch die Organisation von Massenprotesten Druck auf die Regierungen der arabischen Länder ausübte. Im Laufe des Bürgerkriegs und des anschließenden arabisch-israelischen Krieges oder Unabhängigkeitskrieges kam es zu Kriegsverbrechen und Vertreibungen auf beiden Seiten. Im Ergebnis führte das dazu, dass etwa 700 000 arabische Einwohnern von ihren Wohnorten flüchteten oder vertrieben wurden und über 300 arabische Ortschaften evakuiert, verlassen oder zerstört wurden. Dadurch wurde etwa die Hälfte der arabischen Einwohnern des Mandatsgebietes zu Flüchtlingen, wobei zwei Drittel davon innerhalb der Grenzen des Mandatsgebiet selbst blieben. Dabei ist es aber wichtig, zu verstehen, dass das ein historisches Ergebnis des Handlungsverlaufs war, der durch beide Seiten bestimmt wurde und es nie Politik der zionistischen Bewegung war, einen Bevölkerungsaustausch durchzuführen. Es war eine Bürgerkriegs- und Kriegssituation, in der es zu Angriffen, kriegerischen Handlungen, Evakuierungen, Vertreibungen und Kriegsverbrechen von allen Seiten kam, die viele Einwohner zum verlassen ihrer Wohnorte brachte. Der neu gegründete israelische Staat konnte sich schließlich behaupten und die arabischen Angreifer zurückschlagen. Für die arabische Seite war der gescheiterte Angriff und die Niederlage gegen Israel die Katastrophe von 1948, mit der sie nicht gerechnet hatten, so die ursprüngliche Verwendung des Wortes Nakba. Heute wird der Begriff in einer Art Umdeutung verwendet, um Israel der Vertreibung und Enteignung der arabischen Palästinenser zu beschuldigen und es damit als kolonialen Siedlerstaat darzustellen. Die Flucht und die teilweise Vertreibung eines großen Teils der arabischen Einwohnern des Mandatsgebietes ist eine unbestreitbare Tatsache, aber deren Ursachen in der Nichtanerkennung des UN-Teilungsplans von 1947 durch die arabische Seite und in den darauf folgenden arabischen Angriffen sind es ebenso. Diesen Teil wegzulassen, wie es in der gegenwärtigen Verwendung des Begriffs Nakba geschieht, dient nur der Delegitimation der israelischen Seite und führt nicht zu Frieden oder Gerechtigkeit.

Eine weitere entscheidende Seite der Konfliktsituation, die in gegenwärtigen Darstellungen so gut wie gar nicht berücksichtigt wird, ist die Flucht und Vertreibung der Jüdinnen und Juden aus den arabischen und islamischen Ländern. Seit dem Beschluss des Teilungsplans durch die Vereinten Nationen und noch mehr seit der Niederlage der arabischen Staaten im Krieg gegen Israel waren Jüdinnen und Juden in arabischen und islamischen Staaten Bedrohungen und gewaltsamen Angriffen ausgesetzt. Die moderne Geschichte von Angriffen und gewaltsamen Ausschreitungen gegenüber jüdischen Gemeinden in arabischen Ländern geht aber schon etwas weiter zurück und ist auch verbunden mit einem Import antisemitischer Vorstellungen und Ideen aus dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien. So gab es schon im Juni 1941 einen Pogrom in Bagdad, bei dem hunderte Jüdinnen und Juden verletzt und getötet und viele Jüdinnen vergewaltigt wurden und hunderte jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert und zerstört wurden. Dieser Pogrom, der Farhud genannt wird, was auf arabisch »gewalttätige Enteignung« bedeutet, ereignete sich kurz nachdem ein Militärputsch gegen den pro-britischen König Faisal II. durch das britische Militär niedergeschlagen wurde. Der Militarputsch fand mit Unterstützung von Amin al-Husseini, der sich seit 1939 im Irak aufhielt, und von dem deutschen Diplomaten Fritz Grobba statt, durch deren Vermittlung die Putschisten Waffen und Kampfflugzeuge aus Deutschland geliefert bekamen. Während der Niederschlagung gab al-Husseini »den Juden« die Schuld und rief in einer Fatwa zum Dschihad gegen Juden und Briten auf, die von irakischen, deutschen und italienischen Radiosendern verbreitet wurde.

In Kairo und in Tripoli, Libanon, kam es im November 1945 zu Pogromen und in Tripolis in Libyen ereignete sich im November 1945 ein antijüdischer Pogrom in ähnlicher Dimension wie in Bagdad 1941. Obwohl die italienische Kolonialherrschaft in Libyen 1943 durch die Alliierten beendet worden war, bestand der Einfluss, den die faschistische und nationalsozialistische antisemitische Propaganda ausgeübt hatte, fort und wurde nun in einem arabisch-nationalistischen Sinn verwendet. Dies gilt aber nicht nur für Libyen, sondern für den gesamten arabischen und islamischen Raum, in dem die faschistische und nationalsozialistische antisemitische Propaganda insbesondere durch arabisch- und persischsprachige Sendungen über Kurzwellensender erheblichen Einfluss gewinnen konnte. Die nationalsozialistische Propagandaabteilung für den arabischen und islamischen Raum, die von 1939 bis 1945 betrieben wurde, arbeitete dabei mit Amin al-Husseini zusammen, der nach dem gescheiterten Putsch im Irak über den Iran, die Türkei und Italien bis nach Berlin flüchtete. Er hatte schon in den 1930er Jahren arabisch-nationalistische, islamistische und antizionistische Elemente zu einem islamistisch-nationalistischen Antisemitismus verbunden, den es vorher nicht gegeben hatte. Die nationalsozialistische Rundfunkpropaganda im arabischen und islamischen Raum setzte das gezielt fort, um die Menschen dort dazu zu bringen, gegen die britische Herrschaft und gegen die dort lebenden Jüdinnen und Juden und die zionistische Bewegung in Palästina vorzugehen. Dabei gingen sie professionell vor, indem sie Muttersprachler einsetzten und das mit arabischer Musik und Koranzitaten verbanden. Das faschistische Italien hatte bereits 1934 damit begonnen, arabischsprachige Propaganda über einen Kurzwellensender auszusenden. Es wurde damit eine Verbindung geschaffen zwischen der europäisch-christlichen Verschwörungsideologie der geheimen jüdischen Weltherrschaft, wie sie von den »Protokollen der Weisen von Zion« bis zum Nationalsozialismus zu finden ist, antijüdischen Elementen, die aus der islamischen Tradition genommen wurden und einem radikalen Antizionismus, die bis heute wirksam ist.

Nach der Verkündigung des UN-Teilungsplans für Palästina und während und nach dem Palästina- oder Unabhängigkeitskrieg 1948 kam es zu einer Welle von antisemitischen Angriffen und Pogromen in arabischen Ländern, so 1947 in Aleppo in Syrien, in Aden im Jemen und in Manama in Bahrein, 1948 in Oujda und Jerada in Marokko, in Tripolis in Libyen und in Kairo in Ägypten, und 1950 und 1951 in Bagdad im Irak. In einigen arabischen Ländern, wie Libyen, Irak und Syrien wurden Jüdinnen und Juden Restriktionen unterworfen und waren Verfolgungen ausgesetzt, in anderen, wie Marokko, Algerien und Tunesien war das weniger der Fall. Die zunehmend feindliche Atmosphäre gegenüber Jüdinnen und Juden in vielen arabischen Ländern und repressive Maßnahmen gegen sie auf der einen Seite und die Förderung der Auswanderung durch die zionistische Politik auf der anderen Seite führte dazu, dass von 1948 bis 1972 etwa 850 000 Jüdinnen und Juden aus arabischen und islamischen Ländern nach Israel einwanderten. Viele von ihnen mussten dabei den größten Teil ihres Vermögens und Besitzes zurücklassen. Die meisten der jüdische Gemeinden, die sich seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden in arabischen und islamischen Ländern befunden hatten, sind dadurch vollständig verschwunden. Sie und ihre Nachkommen leben jetzt in Israel und machen einen großen Teil der israelischen Bevölkerung aus. Dieser historische Verlauf verdeutlicht nochmals, dass es nicht zutreffend ist, in Bezug auf Israel von einem Siedlerkolonialismus zu sprechen. Vielmehr ist die Gründung des israelischen Staates eine Folge der Gründung von Nationalstaaten und kolonialer Imperien überall in der Welt, die mit antisemitischen Verfolgungen einher ging, und der Ermordung eines großen Teils der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland.

Es hat in der Geschichte Prozesse des Bevölkerungsaustauschs in verschiedenen Regionen der Welt gegeben und es gibt in einigen Gebieten auch heute noch tatsächliche Versuche, durch Zwangsmaßnahmen Bevölkerungen zu vertreiben und durch andere zu ersetzen oder ihre ethnische Identität zu unterdrücken und zu ersetzen. Historische Zeiträume, in denen es zu weitreichenden Bevölkerungsveränderungen kam, waren die Zeiten des Ersten und des Zweiten Weltkriegs und die jeweiligen Nachriegszeiten. Im Ergebnis des Ersten Weltkriegs zerfielen die beiden Vielvölkerstaaten Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich und es entstanden neue Nationalstaaten auf deren ehemaligen Territorien. Da es aber in den Vielvölkerstaaten keine eindeutigen Grenzen zwischen nationalen oder ethnischen Gebieten gegeben hatte und in vielen Gebieten mehrere Ethnien zugleich und zusammen lebten, führte das zu ethnischen Konflikten oder Konflikten der Nationalität, die damit hergestellt werden sollte. So gab es beispielsweise seit der Antike eine griechische Bevölkerung in Kleinasien, der heutigen Türkei, und seit der osmanischen Eroberung des Balkans eine türkische Bevölkerung in Griechenland. Während des Ersten Weltkriegs kam es im osmanischen Reich nicht nur zur Verfolgung und Ermordung von Armeniern, sondern auch zur Verfolgung und Ermordung von Griechen. Nach dem ersten Weltkrieg kam es zum Griechisch-Türkischen Krieg und nach der Niederlage Griechenlands zum Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei, wobei etwa 1,2 Millionen Griechen die Türkei verlassen mussten und 500 000 Türken aus Griechenland verwiesen wurden. Zu einer der größten Flucht- und Vertreibungsbewegungen der Geschichte kam es 1947 nach der Teilung Indiens im Zuge der indischen Unabhängigkeit in das hinduistische Indien und das muslimische West- und Ostpakistan. Dadurch mussten etwa 10 Millionen Hindus und Sikhs Pakistan verlassen und etwa 7 Millionen Muslime den indischen Staat, wobei hunderttausende Menschen zu Tode kamen.

Zwischen diesen und weiteren Bevölkerungsbewegungen, die alle mit maßlosem Leid und vielen Toten verbunden waren, und dem, was sich in Palästina vor und während des ersten arabisch-israelischen Krieges ereignet hat, wird aber ein Unterschied gemacht. Nur für die arabischen Einwohner, die dabei zu Flüchtlingen wurden, gibt es ein eigenes Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNWRA), das 1949 als temporäres Hilfsprogramm gegründet wurde, seitdem regelmäßig um drei Jahre verlängert wurde und heute die UN-Organisation mit den meisten Mitarbeitern weltweit ist, die meisten davon selbst Menschen mit dem Status palästinensischer Flüchtlinge. Für alle anderen flüchtenden Menschen auf der Welt ist der Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) zuständig. Die Tätigkeit der UNWRA besteht vor allem darin, die bestehende Situation weiterzuführen und den Status der Flüchtlinge als solcher aufrechtzuerhalten. Dafür unterhält sie Einrichtungen in Jordanien, Syrien, Libanon, dem Gazastreifen und dem Westjordanland. Zunächst bestand ihre Tätigkeit in der Bereitstellung von Nothilfe, also Lebensmitteln, Unterkünften, Kleidung und der wichtigsten medizinischen Versorgung, aber mittlerweile übernimmt sie dauerhaft staatliche Funktionen wie Unterkunft, Bildung, Gesundheitsversorgung und Sozialhilfe. Viele der Angestellten der UNWRA arbeiten im medizinischen Bereich und im Bildungsbereich. Die in den Schulen der UNWRA verwendeten Schulbücher stellen den Konflikt bis heute auf eine einseitige Art dar, in der die palästinensische Geschichte als »Widerstand«, »Dschihad« und »palästinensischer Befreiungskampf« gegen die »jüdische zionistische Besatzung« durch »Revolutionäre« erscheint. Die Opfer auf palästinensischer Seite werden dementsprechend als »Märtyrer« bezeichnet und als heldenhafte Vorbilder stilisiert. Verwendet werden aber auch antijüdische Motive aus der islamisch-religiösen Tradition, wie der Kampf des Propheten Mohammed gegen einen jüdischen Stamm in der Oase Chaibar, wobei »die Juden« dabei als hinterhältig und feige beschrieben werden. Auf sich als pro-palästinensisch verstehenden Demonstrationen in Deutschland 2014, 2017 und 2021 wurde eine Parole verwendet, die ebenfalls auf diese Geschichte Bezug nimmt: »Chaibar, Chaibar, oh ihr Juden! Mohammeds Heer kommt bald wieder«.

Die Zahl der durch die UNWRA versorgten Flüchtlinge hat dabei von ursprünglich 500 000 auf heute 5,4 Millionen zugenommen, da nicht nur die ursprünglich geflüchteten Menschen den Flüchtlingsstatus erhalten, sondern auch deren Nachkommen. Die UNWRA arbeitet gemäß der Art ihrer Tätigkeit eng mit palästinensischen Organisationen, wie der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas zusammen. Diese Zusammenarbeit geht aber so weit, dass sie oder ihre Mitarbeitern zum Teil deren Positionen übernehmen und vertreten. Als einziger arabischer Staat hat Jordanien dem Teil der geflüchteten Arabern aus Palästina, die nicht aus dem Gazastreifen stammen, die Staatsbürgerschaft gewährt. Trotzdem werden auch diese 2,1 Millionen jordanischen Staatsbürgern weiterhin als palästinensische Flüchtlinge von der UNWRA registriert und behalten so ihren Flüchtlingsstatus, neben den etwa 600 000 aus Gaza Geflüchteten und ihren Nachkommen in Jordanien, die die Staatsbürgerschaft nicht erhalten. In Syrien, im Libanon und in anderen arabischen Staaten erhalten geflüchtete Arabern, die aus Palästina stammen, der offiziellen Linie der Arabischen Liga folgend, zwar ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, aber keine Staatsbürgerschaft.

Nach den Maßstäben, die in westlichen Ländern angelegt werden, sind diese arabischen Menschen rassistischen Praktiken ausgesetzt. Sie bekommen nicht die gleichen Rechte, wie die jeweiligen Staatsbürgern, sie müssen teilweise seit Jahrzehnten in Flüchtlingslagern leben und dürfen sich teilweise nicht frei bewegen und nicht offiziell arbeiten. Sie leben also als Bürgern zweiter Klasse in diesen arabischen Ländern, obwohl ethnisch und kulturell gar kein Unterschied zwischen ihnen besteht. Dieser Unterschied wird nur aufgrund ihrer Herkunft aus Palästina gemacht, um ihren Status als palästinensische Flüchtlinge weiterhin aufrecht zu erhalten. Die Menschen in den heutigen arabischen Ländern Jordanien, Syrien, Libanon, Irak und diejenigen in dem Gebiet, was dann zum Mandatsgebiet Palästina wurde, haben jahrhundertelang in einem zusammenhängenden Gebiet unter arabischer und später unter osmanischer Herrschaft gelebt, ausgenommen etwa zweihundert Jahre, in denen es christliche Kreuzfahrerstaaten in der Region gab. Aus dieser Perspektive wäre die Integration und Inklusion der aus dem Mandatsgebiet geflüchteten Arabern keine unüberwindbare Schwierigkeit. Sie wird aber aus politischen Gründen seit Jahrzehnten verweigert, um den Status als palästinensische Flüchtlinge für diese Menschen zu erhalten. In Israel erhielten diejenigen arabischen Einwohner, die dort geblieben sind, die israelische Staatsbürgerschaft und seit der Aufhebung des Kriegsrechts 1966 haben sie auch die gleichen gesetzlichen Rechte wie jüdische Staatsbürger. Sie umfassen mit 1,9 Millionen Menschen etwa 20 % der Einwohner Israels. Wird die Situation so betrachtet, erscheint weniger der israelische Staat und dessen Politik als Ausgangspunkt ausgrenzender und rassistischer Praktiken und Politiken gegenüber den geflüchteten arabischen Einwohnern und ihren Nachkommen, als vielmehr die arabischen Staaten mit Ausnahme Jordaniens. Mit ihrer Politik der Erhaltung des Status als palästinensische Flüchtlinge für diese Menschen erhalten sie die Situation der palästinensischen Flüchtlinge als Problem immer weiter aufrecht, nur um die Existenz und die Berechtigung des israelischen Staates nicht anzuerkennen.

Die israelischen Araber leben in Israel als Staatsbürger mit gleichen Rechten und auch die Mizrachim und Sephardim, die Jüdinnen und Juden die früher in den arabischen und islamischen Ländern und ihre Nachkommen, haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte, wie die Aschkenasim, die Jüdinnen und Juden aus europäischen Ländern und ihre Nachkommen. Von Beginn an sind israelische Araber als Abgeordnete im israelischen Parlament, der Knesset, vertreten. Die Arabern im Westjordanland und im Gazastreifen leben in Territorien, die nicht zum Staat Israel gehören, in denen aber auch kein unabhängiger arabisch-palästinensischer Staat besteht, weil die arabische Seite bisher keine Teilungslösung akzeptiert hat. Die in Ostjerusalem und den Golanhöhen lebenden Arabern haben mehrheitlich die israelische Staatsbürgerschaft ausgeschlagen, weil sie die Annektion dieser Gebiete durch Israel nicht anerkennen. Sie haben aber einen Sonderstatus als »ständige Einwohner«. Die Betrachtung dieser Situation zeigt deutlich, dass es nicht angemessen ist, in Bezug darauf von Apartheid zu sprechen, wie es viele, sich als links, antirassistisch und dekolonial verstehende, Aktivisten weltweit tun. Innerhalb von Israel gibt es rassistische Diskriminierung, wie in vielen andern Staaten auch, aber keine Apartheid, denn alle Staatsbürgerinnen haben die gleichen Rechte. Die Situation in den Gebieten, die unter israelischer Militärverwaltung stehen oder die von Israel annektiert wurden, geht aus dem seit Jahrzehnten ungelösten Konflikt hervor, der aus dem Scheitern einer Zwei-Staaten-Lösung durch die Verweigerung der Anerkennung des Staates Israel durch die arabische Seite resultiert. Es geht dabei nicht um eine auf Dauer angelegte Beherrschung einer indigenen Mehrheit durch eine koloniale Minderheit, wie es in Südafrika der Fall war. Es handelt sich um einen Konflikt um Gebiete, auf denen zwei Bevölkerungsgruppen begründete Rechte beanspruchen können, dort zu leben.

Wenn der israelische Staat nun weltweit nicht nur von linken, antirassistischen und dekolonialen Aktivisten, Bewegungen und Organisationen sondern auch von sehr vielen Regierungen anderer Staaten als rassistischer Apartheids- und kolonialer Siedlerstaat verurteilt und als alleiniger Aggressor und Grund für die »koloniale Unterdrückung« dargestellt wird, dann liegt damit ganz offenbar eine Fehleinschätzung vor. Das ließe sich leicht damit erklären, dass hier als Antizionismus oder Israelfeindschaft auftretender Antisemitismus vorliege, in dem Israel als »Jude unter den Staaten« erscheint und dementsprechend mit dem jüdischen Staat umgegangen wird. Dennoch erscheint dieses Vorgehen und die Vehemenz, mit der es vertreten wird, noch weiter erklärungsbedürftig. Wie ist es zu erklären, das von linken, antirassistischen, dekolonialen Bewegungen bis zu autoritären Staatsführungen in der ganzen Welt ausgerechnet Israel als Ziel der Kritik von rassistischer, imperialer, kolonialer Politik ausgewählt wird? Es scheint so, als würde die gesamte gewaltvolle und mörderische Geschichte des Kolonialismus und des Imperialismus und gegenwärtig auch die Verantwortung für Apartheid und einen großen Teil des Rassismus, deren Spuren und Wirkungen überall auf der Welt zu finden sind, auf Israel projiziert werden. Als ließe sich diese gesamte Gewaltgeschichte ein Stück weit rückgängig und wieder gut machen, wenn der israelische Staat verschwunden und Palästina damit »befreit« und »dekolonisiert« wäre.

Eine Erklärung für dieses Vorgehen besteht darin, dass Israel dabei eine Ersatzfunktion einnimmt und all die Gewalt des Kolonialismus, der wirklichen kolonialen Siedlerstaaten, des Imperialismus und der ethnischen Säuberungen, der Völkermorde, der Apartheid und rassistischer Praktiken, die es dabei gegeben hat und die es in veränderten Formen teilweise immer noch gibt, in einer stellvertretenden Projektion auf Israel bekämpft werden sollen. Nur dort soll es möglich sein, den »Siedlerkolonialismus« wieder rückgängig zu machen, indem Palästina »befreit« und »dekolonisiert« wird, und damit den Kolonialismus und Rassismus stellvertretend zu beenden und zu besiegen. Das ist selbstverständlich ein unmögliches Vorhaben, das gar nicht gelingen kann, weil nicht die Gewalt der ganzen Welt und der ganzen Weltgeschichte auf einen einzigen Staat übertragen und dort bekämpft werden kann. Israel wird als einziger Staat auf der Welt als ein Staat ohne das Recht zu existieren und ohne das Recht auf Selbstverteidigung dargestellt, obwohl koloniale Siedlergeschichte und Rassismus in vielen Teilen der Welt zu finden ist und Grundlage vieler gegenwärtiger Staaten war. Diese Sonderrolle, die dem jüdischen Staat zugewiesen wird, in dem die Gewaltgeschichte und die Künstlichkeit, die für alle Staaten auf der Erde konstitutiv ist, nur dort verortet wird, ist ein Motiv, das über die tatsächliche Konfliktsituation weit hinausreicht. Es ist ein tatsächlich ein altes Motiv des Antisemitismus, was sich darin zeigt, in dem gesellschaftliche und politische Widersprüche auf »die Juden« und jetzt »den Zionismus« verschoben oder projiziert werden und diese dann als Sündenböcke stellvertretend bekämpft werden statt die strukturellen gesellschaftlichen Widersprüche und Konflikte selbst zu bearbeiten. Es ist ein Ausweichen vor den realen Schwierigkeiten, die eine wirkliche Umgestaltung der Verhältnisse in menschenwürdige im eigenen gesellschaftlichen Zusammenhang bedeuten würde. In einer schlechten Konvergenz trifft sich das mit den Interessen autoritärer Regime überall auf der Welt. Für diese ist diese Projektion autoritärer, kolonialer und rassistischer Staatsgewalt auf Israel sehr vorteilhaft, weil die von ihnen selbst ausgeübte staatliche Gewalt dann nicht thematisiert wird, wenn es darum geht, Israel zu verurteilen.

Würde dieser dekolonialen Logik wirklich konsequent gefolgt werden, die gegen Israel gewendet wird, dann müssten alle nicht indigenen Nachkommen europäischer Siedler die Amerikas, Australien und Neuseeland, Afrika und Asien verlassen und nach Europa zurückkehren. Auch die Nachkommen afrikanische Sklaven müssten in die Herkunftsgebiete ihrer Vorfahren zurück gehen, ebenso wie alle anderen, die nicht als indigen für die jeweilige Region gelten könnten. Diese logische Konsequenz dieser Form der Dekolonialisierung wird aber nicht gefordert, weil sie unmöglich zu verwirklichen ist. Der Kolonialismus und der Imperialismus und deren Folgen lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Es wäre ein andere Umgang mit den Folgen des Kolonialismus und des Imperialismus notwendig, der eine vollständige Umgestaltung der sozialen und ökologischen Verhältnisse in globalen Maßstab erfordern würde, so dass alle Menschen auf dieser Erde die Möglichkeit haben, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Die Bedingungen dafür herzustellen, wäre die Aufgabe einer antirassistischen und dekolonialen Bewegung der Befreiung. Stattdessen wird aber vielfach der israelische Staat zur Projektionsfläche des dekolonialen, antirassistischen und antiimperialistischen Kampfes, weil in dem Kampf gegen diesen Staat die Möglichkeit gesehen wird, gegen Kolonialismus, Imperialismus und Rassismus anzukämpfen. Dieses Vorgehen folgt dem alten antisemitischen Muster der projektiven Bekämpfung gesellschaftlich-struktureller Probleme an »den Juden« und geht von vornherein fehl, weil es die wirklichen Probleme nicht bearbeitet sondern die Auseinandersetzung mit ihnen vermeidet. Der Kampf gegen postkoloniale und rassistische Verhältnisse und Strukturen kann nur dort geführt werden und auch realistische Chancen auf Erfolge haben, wo es um die Veränderung derjenigen sozialen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse vor Ort selbst geht, von denen diese postkolonialen und rassistischen politischen Formen ausgehen und in denen sie manifestiert sind.

Die einfache Übertragung und Anwendung der Begriffe und Kategorien antirassistischer und postkolonialer Theorie und Kritik auf den Konflikt in Israel und Palästina ist der Situation in ihrer historischen Entwicklung und in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht angemessen und führt zu Missverständnissen und politischen Fehleinschätzungen, die bis zu antisemitischen Vorstellungen reichen. Aus einer solchen Perspektive resultieren unzutreffende Beurteilungen in der weltweiten Linken, wie Israel sei ein Apartheidsstaat und daher keine Demokratie, Israel sei ein kolonialer Siedlerstaat und habe daher kein Recht auf Selbstverteidigung, Zionismus sei nichts anderes als Rassismus, Kolonialismus, Imperialismus, Besatzung, Enteignung, Landraub und Unterdrückung und daher zu bekämpfen. Dies führt dann zu dem Schluss, es könne keine zionistische Linke geben, und wenn Gruppen und Organisationen in ihrem Selbstverständnis davon ausgehen, dass Israel ein legitimer Staat ist, der existieren soll, dann seien sie keine Linken. In solchen Sichtweisen wird einfach ein großer Teil dessen, was diesen besonderen Konflikt und seine Entstehungsgeschichte ausmacht, ausgeblendet und eine einfache Geschichte von Unterdrückten und Unterdrückern erzählt, die mit der wirklichen Situation nichts zu tun hat, sondern ein projektives Bild darstellt. Nur wenn die realen Verhältnisse, wie sie sind und wie sie sich entwickelt haben, als Ausgangspunkt genommen werden, kann nach Lösungen gesucht werden, die für alle annehmbar sind und niemanden ausschließen. Der Weg zu einer Koexistenz wird durch die Rücknahme falscher Projektionen ermöglicht und die Herstellung menschenwürdiger Verhältnisse kann nur über die konkrete Arbeit an den Verhältnissen vor Ort erfolgen, nicht über die projektive Bekämpfung des vermeintlich größten Übels der Welt. Voraussetzung dafür ist die Anerkennung der Existenzberechtigung aller Konfliktparteien. Nur dann wäre überhaupt die Aushandlung der unterschiedlichen Ansprüche und Interessen möglich. In Anbetracht des Verlaufs und der Resultate der geschichtlichen Entwicklung ist es keine Option mehr, die Auseinandersetzung darüber zu führen, ob Zionismus richtig oder falsch ist. Israel als jüdischer Staat existiert als Ergebnis eines historischen Prozesses und aus der historischen Notwendigkeit eines souveränen Territoriums als sicheren Ort für Jüdinnen und Juden. Genauso wenig wie in anderen Regionen der Welt lässt sich in Israel und Palästina und der arabischen Welt das Rad der Geschichte zurückdrehen und deren Resultate rückgängig machen. Die Anerkennung der historischen Tatsachen ist essentiell für jedwede Politik und gerade die Linke, deren genuiner Anspruch die Rückführung aller Illusionen auf die weltlichen Tatsachen war und sein sollte, müsste das als allererstes berücksichtigen.