Tag 26 im Halle-Prozess

In diesem Thread berichten wir aus dem Gericht, wo heute die #Urteilsverkündung im #HalleProzess erfolgen soll. Gegen 11 Uhr soll die Sitzung beginnen.

Die vorsitzende Richterin Mertens verliest zu Beginn das Urteil. Wie erwartet, wird der Angeklagte zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Eine besondere Schwere der Schuld wird ebenfalls festgestellt.

Anschließend erfolgt die detaillierte Begründung des Urteils. Ob die Mordversuche an Aftax I. und Ismet Tekin auch juristisch als solche gewertet werden, bleibt abzuwarten.

Bei der Besprechung des Mordes an Jana Lange erklärt sie, dass Angehörige der Getöteten sich erst der Nebenklage anschließen wollten, dann aber doch davon zurücktraten, da sie nicht wollten, dass Janas Tod eine größere Rolle im #HalleProzess einnimmt.

Indem sie einiges aus Janas Leben erzählt, versucht sie, Jana trotz der Umstände nicht „gesichtslos“ im Verfahren erscheinen zu lassen. Auch auf Kevins Leben geht sie später mitfühlend ein.

Mertens bemüht sich in der Formulierung ihrer Urteilsbegründung um eine sensible Sprache, um den menschenverachtenden Ideologien des Täters keine Bühne zu geben. Seine Motive bezeichnet sie als „absurd u. logischen Überlegungen nicht zugänglich“.

Obwohl sie anfänglich allgemein von Hass spricht, differenziert sie diese Aussage später und kann Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus klar als Motive zu benennen.

Es war auch heute zu merken, dass die Richterin trotz Bemühungen eine häufig unreflektierte, unsensible Sprache verwendet, wenn sie etwa von „Rassenhass“ oder „Fremdenfeindlichkeit“ als Tatmotiven spricht o in Teilen die vom Täter gewählten Begriffe für seine Handlungen verwendet.

Mertens bezeichnet den Täter als „Einzeltäter“, benutzt den Begriff allerdings ausdrücklich im juristischen Sinn. Sie macht deutlich, dass der Täter sich gerade online in einer Community von Gleichgesinnten befand und sagt, dass viele sich mitschuldig gemacht hätten.

Allerdings zieht sie aus dieser Analyse keine Konsequenzen (wie sich schon im Verfahren zuvor zeigte) – außer der Einforderung einer „Internetpolizei“. Sie ignoriert dabei die gesellschaftlichen Bedingungen und auch die gesamtgesellschaftliche Verantwortung zur Bekämpfung dieser.

In diesem Zusammenhang sprach sie auch von anderen Terrorakten, mit denen der #halleanschlag in einer Kontinuität steht. Sie vermeidet, die Namen anderer Terroristen zu nennen, betont dabei aber dass eine Beschäftigung mit deren Taten wichtig ist.

Bezüglich der auf Ismet Tekin abgegebenen Schüsse kommt das Gericht zu dem Urteil, dass der Tatverdacht des versuchten Mordes nicht erfüllt ist, da der Attentäter zu diesem Zeitpunkt auf die Polizeibeamten*innen zielte und Ismet Tekin somit nicht zwingend wahrgenommen haben muss bzw. Kenntnis von seinem Aufenthalt gehabt haben muss, d.h. es liegt nur ein bedingter Vorsatz vor.

Auch im Bezug auf Aftax I. sieht das Gericht den Tatbestand des versuchten Mordes nicht erfüllt. Das Gericht begründet die Entscheidung damit, dass es nicht ausreichend nachweisen kann, dass der Attentäter absichtlich die Spur gewechselt hat.

Die Zeit die zwischen der Entscheidung Aftax I. umzufahren und der tatsächlichen Kollision sei zu kurz gewesen, um eine Absicht nachzuweisen.

Weshalb nur eine Verurteilung einer fahrlässigen Körperverletzung erfolgt. Wir sind enttäuscht und wütend darüber dass das Gericht in beiden Fällen die Anträge der NK abgelehnt hat.

Weiterhin lobte Mertens die am Tag eingesetzten Beamten*innen und band diese in ihre „Helden“-Erzählung mit ein. Die zahlreichen Fehler des Polizeieinsatzes an dem Tag auch in Bezug auf den Umgang mit den Geschädigten und die Lücken in der Ermittlungen blieben darin völlig außer Acht.

Der #HalleProzess ist damit abgeschlossen. Auf der Kundgebung vor dem Landgericht ziehen aktuell Nebenkläger*innen und deren Anwält*innen ihr Fazit. Die juristische Aufarbeitung ist damit abgeschlossen, nicht aber die gesellschaftliche!