Tag 14 im Halle-Prozess

Wir werden heute wieder in den Pausen vom #HalleProzess hier berichten. Heute werden weitere Personen aus dem Kiez-Döner und die Person, die auf der Magdeburger Straße angefahren wurde, aussagen. Es ist weiterhin sehr wichtig, dass wir ihren Stimmen viel Aufmerksamkeit geben.

Auch heute waren wieder nur wenige Presseplätze belegt; über die Hälfte der Plätze bleiben leer.

Der erste Zeuge war zum Zeitpunkt des Anschlags im Kiez-Döner und wollte etwas zu essen bestellen. Als er mitbekam dass der Attentäter mit einer Waffe auf ihn zielte, floh er in den hinteren Teil des Kiez-Döners.

Dort versteckte sich noch ein anderer Mann, welcher die Polizei verständigte. Als der Zeuge Menschen an sich vorbei laufen sah, floh er weiter in den hinteren Teil des Ladens auf die Toilette und hielt diese von innen zu.

Er dachte: „Wenn es dort keinen Ausgang gibt, dann werden wir alle erschossen.“

Währenddessen hörte er Schüsse und Rufe aus dem vorderen Teil des Kiez-Döners. Vor Schreck öffnete er die Tür der Toilette kurzzeitig bevor er sie wieder schloss. Er hatte Angst dass er Attentäter mitbekommt wo er sich versteckt.

Als er merkte dass es ruhiger wurde, rief er mehrmals die Polizei an. Diese legte beim ersten Anruf nach dem Telefonat auf, beim 2. forderte sie ihn auf, lauter zu sprechen, obwohl der Zeuge ihnen kommunizierte dass er dächte die Täter verschanzten sich im Döner.

Nachdem die Polizei am Kiez-Döner ankam und in den Laden hinein rief ob sich dort noch jemand befände, gab er sein Versteck auf und ging nach draußen. Dort kümmerten sich die Mitarbeiter des Kiez-Döners um ihn.

Die Polizei befragte ihn wenig später „total empathielos“. Erst ein dazu kommender Rettungssanitäter kümmerte sich um ihn. Er fuhr am selben Tag ohne Begleitung, Kontaktperson oder weitere Informationen nach Hause. Am Abend nahm er Kontakt zur @opferberatung auf.

Der Zeuge bedankte sich bei der @opferberatung für die Unterstützung und Betreuung.

Nach der Zeugenaussage werden Atteste eines Kollegen von Kevin S. durch eine Nebenklagevertreterin eingeführt. Anschließend wird eine mit ihm abgestimmte Erklärung verlesen.

Der Kollege wurde durch das Attentat schwer traumatisiert und für ihn kaum zu verarbeiten. Er war nicht nur Kevins Kollege, sondern fühlte sich verantwortlich für ihn. Durch das Attentat wurde der Nebenkläger aus dem Leben gerissen und ist bis heute arbeitsunfähig.

Verschiedene Events wie das Attentat vor #Hanau, aber auch der Prozessbeginn lösten Retraumatisierungen aus.

Zudem kritisiert er und die Nebenklagevertreterin, dass Adresse und Telefonnummer an die Presse durchgestochen wurden. Besonders unsensibel waren Kontaktaufnahmen durch Pressevertreter*innen vor dem Prozessauftakt.

Als 2. Zeuge wurde ein Berufskraftfahrer vernommen. Dieser befand sich am Tattag in der Magdeburger Straße. Dort beobachtete er, wie der Attentäter mit 70-80 Km/h die Fahrbahn wechselte und auf mehrere PoCs zuhielt.

Er sah auch, wie ein PoC verletzt wurde. Anschließend sagte der in der Magdeburger Straße verletzte PoC Aftax I. aus. Da er eine Krankschreibung persönlich vorbeibringen wollte, stieg er am 9.10. an der Haltestelle Magdeburger Straße aus.

Er war mit einem Freund unterwegs, der etwas vor ihm lief. Dieser rief ihm plötzlich zu „Pass auf, pass auf, das Auto.“. Daraufhin sah er ein Auto auf ihn zusteuern. Das Auto traf ihn und er fiel zu Boden.

Dabei verletzte er sich an der Hand und Knie und wurde kurzzeitig ohnmächtig. Als er zu sich kam, hatten Menschen um ihn rum bereits Polizei und Rettungswagen informiert, die nach ½ Stunde kamen.

Im Krankenhaus klärte ihn nach der Behandlung ein Arzt über die Situation auf. Daraufhin realisierte Aftax, dass es kein Unfall war.

Nach verlassen des Krankenhauses fühlte er sich schlecht und desorientiert, woraufhin ihm ein Freund half. Zuhause fühlte er sich alleine, da keine anderen Verwandten in Deutschland leben.

Die Polizei lud ihn erst knapp 5 Tage später zur Zeugenvernehmung ein. Dort vermittelten sie ihn an @opferberatung.

Auch Aftax lobt die Arbeit der @opferberatung, die sowohl psychologische Beratung organisierten als auch ein Platz waren, wo er seine Gedanken und Probleme weitergeben konnte.

Weiterhin leidet er unter Schlaflosigkeit und hat Angst im Straßenverkehr. „Ich weiß nicht, ob man das vergessen kann.“. Auch er hatte nach dem Attentat von #Hanau erneut Angst.

Er versucht seine Freizeit einzuschränken, sagt aber auch „Das ist kein Leben.“.

Auf die Frage, ob er in Halle bleiben möchte, antwortet er, dass er in Halle nicht mehr leben möchte. Er bezieht sich auch auf häufige Diskriminierungserfahrungen in Halle.

Abschließend äußert er den Wunsch woanders in Deutschland zu wohnen und neu anzufangen.

Nach der Mittagspause wurde ein weiterer Zeuge befragt, welcher mit Aftax unterwegs war. Dieser warnte ihn vor dem auf sie zufahrenden Auto. Er rannte von der Straßenbahnhaltestelle auf die andere Straßenseite.

Dort angekommen drehte er sich um und sah Aftax vor ihm auf den Boden fallen. Anschließend rief er einen Rettungswagen.

Im Anschluss wurden Ermittlungsakten zu einem Verkehrsunfall des Attentäters mit einem Auto im Bereich des Steintors und zum Vorfall in der Magdeburger Straße eingeführt. Dazu wurde erst Mitte Februar 2020 eine Nachuntersuchung durchgeführt.

Wie oben geschrieben, kann der Kollege von Kevin S. nicht selber aussagen. Daher wird seine Zeugenaussage der Vernehmung durch das BKA verlesen.

Er beschreibt Kevin als einen freundlichen Menschen. An dem Tattag ging er mit Kevin in den Kiez-Döner, um Mittag zu essen.

Kurz vor dem Tatgeschehen telefonierte er mit einer Freundin, die dadurch die Tat am Telefon miterlebte.

Als der Attentäter den Kiez-Döner betrat und anfing zu schießen meinte der Kollege zu der Freundin: „Hier kommt einer mit dem Maschinengewehr rein und schießt auf uns.“

Der Täter zielte auf ihn, jedoch schien er Probleme mit seiner Waffe zu haben. Der Kollege schützte sich zunächst hinter einem Kühlschrank. In einem günstigen Moment floh er über die Treppe, Lagerraum und durch ein Fenster auf den Innenhof.

Weiter auf der Flucht traf er auf eine Gruppe von Menschen mit denen er in eine Einliegerwohnung floh. Dort rief er auch seinen Chef.

Als er wieder auf die LuWu lief, nahm er nur einen Polizisten wahr, was ihm merkwürdig erschien. Um 12:48 nahm er die Warnung bei CatWarn wahr.

Den Attentäter beschreibt er als kalt und emotionslos. Zunächst dachte er, dass es sich um ein Mitglied einer polizeilichen Spezialeinheit handelt.

Anschließend wurde der Zeuge befragt, der einen Verkehrsunfall mit dem Attentäter hatte. Der Zeuge war am Tag selbst mit Patient*innen in seinem Krankentransport unterwegs als der Attentäter auf der Flucht mit hoher Geschwindigkeit sein Auto streifte.

Er versuchte zunächst noch das Auto zu verfolgen, stoppte dann aber an einer roten Ampel und kümmerte sich dann zunächst um seine Patient*innen. Erst am Abend sagte er im Polizeirevier Köthen aus.

Der nächste Zeuge, ein Polizeikommissar, sollte ebenfalls zur Flucht des Attentäters aussagen. Er berichtete wie er und sein Partner den Kolleg*innen auf der Ludwig-Wucherer-Str. zu Hilfe kamen.

Nach einem Schusswechsel mit dem Attentäter, fuhr dieser in die Schillerstraße, wo die ihn verfolgenden Beamt*innen ihn verloren.

Sie fuhren daraufhin Richtung Magdeburger Straße, wo sie Personen antrafen, u.a. Aftax, welche ihnen sagen konnten, dass der Attentäter in Richtung Riebeckplatz gefahren war. Auf dem Weg dorthin verloren sie ihn erneut.

Am Ende des Verhandlungstages wurde die Vernehmung einer früheren Lehrerin des Attentäters beim BKA durch Verlesen in das Verfahren eingebracht.

Die Aussage lieferte keine neuen Erkenntnisse. Die gesamte Klasse wird von ihr als „ruhig, vernünftig, unauffällig“ beschrieben.

Unser Dank gilt auch heute wieder den Personen die die Kundgebung vor dem Landgericht organisiert haben. Wir sind auch morgen wieder zur Prozessbeobachtung vor Ort.

Für die heutige Mahnwache vor dem Landgericht #Magdeburg wurden solidarische Videobotschaften eingeworben und gezeigt. Alle die sie verpasst haben können diese hier nachschauen:  youtube.com/playlist?list=