Tag 9 im Halle-Prozess

Heute ist der zweite Verhandlungstag, an dem Betroffene aus der Synagoge im #HalleProzess Aussagen werden. Wir werden hier in den Pausen weiter berichten.

Vor Beginn der Verhandlung zeigt einer der Verteidiger dem Angeklagten etwas auf seinem Handy und der Täter zeigt auf einzelne Personen im Bereich der Nebenklage.

Der erste ist der Sicherheitsbeauftragte der Synagoge. Er Beschreibt wie er den Täter auf dem Bildschirm relativ schnell als Gefahr erkannt hat und den Gemeindevorsteher informiert hat. Danach beobachtete er das Tatgeschehen auf dem Bildschirm weiter.

Anschließend wurde er auf dem Polizeirevier verhört und spät am Abend kam er wieder Nachhause.

Der Verteidiger Weber stellte mehrfach explizit Fragen zur Sicherheit der Synagoge die er im Präsens formulierte. Es kam zum Schlagabtausch mit der Nebenklagevertreter*innen die die Fragen beanstandeten. Die Staatsanwaltschaft blieb passiv.

Der Sicherheitsbeauftragte wendet sich mit den Worten direkt an den Verteidiger: „Jetzt frage ich als Jude sie, planen sie etwas?“. Das zeigt wie präsent eine Bedrohungslage für Juden und Jüdinnen in Deutschland ist.

Der Verteidiger Weber fragt nach einem Umstand den er bereits im Verfahren mehrmals auf Lichtbilder gesehen hat.

Abschließend beschreibt er wie sehr seine Mutter immer noch unter der Tat leidet.

Die nächste Zeugin war wie bereits mehrere Zeug*innen gestern mit der Base-Gruppe aus Berlin angereist. Die Studentin der jüdischen Theologie lebte zum Zeitpunkt der Tat erst etwa ein halbes Jahr in Deutschland.

Bereits auf dem Weg zur Synagoge in Halle fiel ihr der fehlende Polizeischutz auf. Auch sie kritisiert den Polizeieinsatz deutlich.

Vor dem Eintritt in den Bus war sie mit einem Beamten konfrontiert der ihr das gerade erhaltene Essen wieder abnehmen wollte. Diesem war nicht möglich ihr zu erklären warum sie dieses wieder abgeben sollte.

Sie kritisierte auch das ihnen durch die deutsche Polizei Nummern zu geordnet wurden. Bei ihr löste es direkt Assoziationen an die Verfolgung der Juden im zweiten Weltkrieg aus.

Bisher hat jede Person aus der Synagoge deutliche Kritik an der Behandlung durch die Polizei formuliert. Nur zur Erinnerung: H. Stahlknecht sagte nach dem Anschlag die Polizeiarbeit wäre fehlerfrei gewesen.

Die Zeugin hofft, dass die Gesellschaft an dem Attentat reift, wie auch sie daran gereift ist. Dennoch fragt sie sich, ob so ein Attentat notwendig war, damit die Gesellschaft aufwacht.

Weiter formuliert sie: „Möge die Gesellschaft sehen, dass Antisemitismus sehen, dass Antisemitismus weiterhin besteht.“

Sie beschließt ihre Einlassung mit dem Statement: „Heute ist es Zeit zu sagen: Stop, es reicht!“. Dem möchten wir uns ausdrücklich anschließen #gegenjedenantisemitismus

Als nächstes sagt Christina Feist aus. Bereits vor ihrer Aussage muss sie darauf hinweisen, dass sie über ihre Anwältin zu laden ist und nicht über ihre Privatadresse.

Auch sie war verwundert, dass keine Polizei vor der Synagoge anwesend war. Sie spricht auch den Gemeindevorsteher darauf an und er schildert ihr dann, dass sie schon lange versuchen Polizeischutz für die Synagoge zu bekommen.

Sie beschreibt wie sie in der Synagoge erst hilft eine Tür zu verbarrikadieren und danach einem älteren Gemeindemitglied dabei unterstützt in den hinteren Raum zu kommen.

Auf dem Bildschirm kann sie erkennen, dass eine Person auf der Straße liegt. Es war ihr erster Impuls ihr helfen zu wollen.

Auch sie kritisiert die Evakuierung aus der Synagoge heftig. Ihre Begegnung mit der Polizei war von Kälte und Abweisung gezeichnet. Sie betont, dass sie sich in dem bereitgestellten Bus nicht sicher fühlte und der Presse ausgeliefert.

„Die einzige positive Erinnerung die ich an diesem Tag habe ist das Krankenhaus.“

Sie beschreibt wie sich das Krankenhaus wirklich gekümmert hat und, dass sie gerührt war von den Worten des Stellvertretenden medizinischen Leiters „Sie sind hier keine Patienten, sondern Gäste.“. Erstmalig fühlte sie sich nicht als Störfaktor.

Im KH agiert die Polizei weiterhin fürchterlich. Sie berichtet, dass plötzlich eine Zivilpolizist auf sie zukommt und sie, ohne sich auszuweisen,auffordert mitzukommen. In der Befragung gibt er keine Auskunft zur Lage. Auf ihre Rückfrage erhält sie nur eine blöde Antwort.

„Ich habe festgestellt, dass ich nicht nach Deutschland ziehen kann. Das liegt zum einem an dem Anschlag aber vor allem an dem unsensiblen Umgang der Polizei mit uns.“

Sie kritisiert scharf das auch das Gericht immer wieder unsensible auftritt, die Sprache des Täters unreflektiert reproduziert und häufig von einen „Wir“ und „Ihr“ spricht. Sie betont den damit verbundenen historisch gewachsen #Antisemitismus.

Zudem moniert Christina Feist die fehlende Unterstützung des deutschen Staates bei der Finanzierung der Nebenklage. Auf Christinas emotionale Einlassung reagierte das Publikum und die Nebenklage mit Applaus.

Nach einer Unterbrechung wurde eine Zeugin vernommen, die auf dem Weg nachhause die Humboldtstraße betrat. Sie musste die Tötung von Jana L. miterleben. Zudem zielte der Attentäter auch auf sie. Der Anschlag nahm sie sichtbar immer noch mit.

Abschließend wurde heute ein weiterer Zeuge vernommen, der während des Tatgeschehens in der Humboldtstraße war. Er nahm den Körper von Jana L. auf der Straße wahr und versuchte ihr zu helfen. Der Attentäter zielte auch auf ihn, ihm gelang jedoch die Flucht.